Die Jungen Liberalen S-H fordern die Einführung eines bundesweiten Triage-Gesetzes zur Regelung der Frage, in welcher Situation ein behandelnder Arzt welche lebensrettenden, existentiellen Entscheidungen treffen darf und muss. Zurzeit ist die Triage lediglich durch ärztliche Richtlinien und Empfehlungen sowie die Rechtsprechung geregelt, was dazu führt, dass der behandelnde Arzt rechtsunsicher darüber ist, ob er im Zweifel ein Tötungsdelikt begeht. Dass insbesondere die Bundesregierung eine solche Debatte aufgrund ihrer ethischen Sprengkraft scheut, führt dazu, dass am Ende die Ärzte allein gelassen werden und ohne staatliche Leitlinien Entscheidungen treffen, die sowohl rechtlich als auch psychisch schwerwiegende, lebenslange Folgen haben können.
Zu regeln sind dabei zwei Fragen:
1. Welche Entscheidung sollte der Arzt treffen, wenn zwei Patienten bei ihm eintreffen und nur noch Kapazität für lebensrettende Maßnahmen für einen der Beiden vorhanden ist? Zurzeit wird dem Arzt hier weitgehend freie Hand gewährt, ärztliche Richtlinien empfehlen eine Entscheidung auf Basis der Überlebenschancen, Stimmen aus der Wissenschaft einen Losentscheid. Wir fordern ein zweistufiges System: Im ersten Schritt muss der Arzt wie auch bisher medizinische Aspekte wie die Dringlichkeit und die Überlebenschancen der jeweiligen zu behandelnden Personen einschätzen. Sollte er nach einer kurzfristigen Bewertung zu dem Entschluss kommen, dass sicher oder sehr wahrscheinlich die Entscheidung für den einen das Leben des anderen ernsthaft gefährdet, entscheidet der zeitliche Aspekt (wie auch bei der Belegung aller vorherigen Kapazitäten), wer zuerst eine Behandlung erhält. Eine rechtliche Bewertung soll im Nachhinein lediglich bewerten, ob der Arzt seinen Ermessensspielraum verfehlt hat, nicht jedoch, ob er im Rahmen seines Ermessens die richtige Entscheidung getroffen hat. Sollte der Arzt entweder einen schwerwiegenden Ermessensfehler begangen haben oder sich nicht an den zeitlichen Aspekt halten, so bedarf es einer Bestrafung durch einen eigenen, milderen Straftatbestand, damit sich die Ärzte nicht wegen Totschlags strafbar machen, insbesondere vor dem Hintergrund der Ausnahmesituation.
2. Welche Entscheidung sollte der Arzt treffen, wenn bereits alle Kapazitäten belegt sind? Hier ist die zentrale Frage, ob ein Arzt im Zweifel aufgrund von Überlebenschancen oder sonstigen Erwägungen die Behandlung eines Patienten abbrechen darf, um sie einem anderen Patienten zu ermöglichen; z.B. das Abnehmen eines Beatmungsgerätes. Zurzeit macht er sich dadurch des Totschlags strafbar. Wir fordern auch hier eine ausdrückliche Regelung, dass das vorsätzliche Abbrechen einer Behandlung strafbar bleibt. Sobald jemand behandelt wird, dürfen nicht Überlebenschancen oder andere Erwägungen greifen, sondern lediglich der zeitliche Aspekt. Auch hier sollte ein milderer Umstand greifen, bspw. in Form eines eigenen Straftatbestandes.
Für uns ist vor dem Hintergrund der Menschenwürde entscheidend, dass die Lebensrettung und medizinische Behandlung eines Menschen nicht existentiell von seiner Vulnerabilität oder bspw. seiner Behinderung abhängig gemacht wird. Um dieser sowohl für unsere Verfassung als auch unser Selbstverständnis maßgeblichen Debatte in der Krise gerecht zu werden, ist für ein solches Gesetz ein möglichst weitreichend parteiübergreifender Beschluss zu fassen.